Von leeren Batterien, nicht vorhandenen Skiboots und viel Schnee zwischen den Bäumen
Als mich Juha, ein Freund aus Finnland der mittlerweile im Süden Norwegens wohnt, im Herbst vorigen Jahres fragte, ob ich mitkommen wolle auf einen Ski-Trip nach Kanada, musste ich nicht lange überlegen und sagte gleich am nächsten Tag zu. Der grobe Plan für Kanada sah folgendermaßen aus: drei Wochen Skitouren in British Columbia, sechs Jungs (zwei Finnen, zwei Deutsche, ein Schwede und ich) und ein riesiges, wintertaugliches Wohnmobil!
Das Timing war perfekt, bis Jänner sollte noch genügend Zeit sein, um noch viele Trainingskilometer auf Piste und im Gelände abzuspulen. Doch die Saison sollte etwas anders kommen als erwartet. Der Schnee ließ recht lange auf sich warten und mit Skitourenmöglichkeiten in der Vorsaison sah es eher schlecht aus. Zum Glück hatte ich oft die Möglichkeit, im Stubaier Gletscher Skigebiet am Ski zu stehen – off pist – war teilweise möglich jedoch Steine und andere Hindernisse mussten berücksichtigt werden. Die Chance, seine Ski zu ruinieren war diese Saison fast immer relativ hoch!
Der Abflugtermin kam näher und die Vorfreude und Anspannung wurden größer. Wie würde der viel bejubelte „Champagne Powder“ sein? Aber zuerst musste noch die lange Anreise absolviert werden. Abfahrt in Innsbruck – Abflug in München, mehrere Zwischenstopps, und viele Stunden später Ankunft nahe der Kanadischen Westküste, in Calgary. Erste Panne gleich zu Beginn – alles da bis auf meine kleine blaue Tasche mit den Skischuhen. Formulare Ausfüllen und hoffen, dass sie mit dem nächsten Flieger tags darauf ankommen würden. Meine Reisegefährten sollten erst am nächsten Tag ankommen, daher machte ich es mir gleich einmal gemütlich und holte in einer ruhigen Ecke des Flughafens meinen Schlaf nach.
Nachdem die Jungs angekommen waren, und es feststand, dass das mit meinen Skiboots wohl noch etwas länger dauern würde, machten wir uns auf den Weg zur Wohnwagenvermietung Canadreams. Dort holten wir das Gefährt ab, das für die nächsten Wochen unser Zuhause werden sollte. Nach Einschulung und Auffüllen aller möglichen Tanks und Vorräte machten wir uns Richtung British Columbia auf den Weg. Es sollte eine lange Fahrt werden aber unsere beiden finnischen Fahrer meisterten die Strecke ohne Probleme.
Unsere erste Station war der Kootenay Pass (höchstgelegene – ganzjährig befahrbare Passstraße in Kanada). Da bald darauf heftige Schneefälle einsetzten, hatten wir für die nächsten Tage perfekte Bedingungen. So tiefen und leichten Pulverschnee hatte ich bis dato noch nicht erlebt und ich machte einige der besten Turns in meinem Leben! Am Kootenay Pass waren die Abfahren relativ kurz, dafür war das Gelände ganz besonders, die Bäume standen in exakt den richtigen Abständen, um zügig dazwischen hindurch zu fahren und riesige Pillows und kleinere Klippen luden zum Springen ein. Wenn man weiß, dass die Landung weich ist, springt man auch Sachen die man sonst wahrscheinlich nicht springen würde!
Um Vorräte nachzufüllen und Körperhygiene zu „betreiben“, fuhren wir hinunter nach Nelson. Nelson ist schon eine etwas lustige Stadt – gegründet von Kriegsdienstverweigerern und Aussteigernbehielt sie sich bis heute ihren gemütlichen, alternativen und lässigen Charakter. Viele Ski Bums (Skifanaten) leben dort ausschließlich für die Wintermonate, um möglichst nahe am Powder-Mekka zu sein. Die Sportgeschäft-, Kaffeehaus- sowie Yogastudiodichte ist deswegen auch entsprechend hoch!
Nachdem sich die Geschichte mit meinen Skiboots als extrem mühsam erwies, beschloss ich einfach, neue zu kaufen und den Betrag der Fluglinie in Rechnung zu stellen (auf das Geld warte ich bis heute). Anscheinend war mein „Ski Karma“ ins Ungleichgewicht gefallen, denn nur kurze Zeit später musste ich feststellen, dass mit meiner Tourenbindung etwas nicht stimmte. Es stellte sich heraus, dass ich eines von jenen Marker Tour F10 Modellen besaß, die einen bekannten Produktionsfehler aufwies. (Wie sich später herausstellen sollte, bekam ich gratis eine neue Bindung anstatt der defekten alten, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht außerdem konnte ich das erst zuhause erledigen.) Grandios, nach meinem Skiboot-Unglück hatte ich auch noch ein Bindungs-Unglück! Zu meiner Überraschung hatte Johan –der Schwede – zwei Paar Ski mitgenommen und ich konnte mir seine leichten aber auch ausreichend breiten Geräte ausborgen.
Die nächsten Tage, und das sollte sich bis zu unserer Abreise nicht großartig ändern, waren ohne viel Niederschlag dafür aber mit viel Sonne. Die richtig guten Pulverbedingungen konnten wir aber leider nicht mehr genießen. Von den Locals erfuhren wir, dass es im Dezember viel mehr Schnee samt der dazugehörig tiefen Temperaturen gab. Was soll’s, man muss nehmen was man kriegen kann! Wir beschlossen, einen Standortwechsel zu machen und zwar zum bekannten Rogers Pass. Die Berge waren höher, viel alpiner und es gab Gletscher und Nationalparkregeln sowie Gebühren zu bezahlen. In einigen Bereichen des Parks durfte man nicht Skifahren, da das Kanadische Militär lawinenträchtige Hänge mit Kanonen beschoss, um die Sicherheit der Passstraße zu gewährleisten. Wiederum andere Bereiche waren eingeschränkt befahrbar, hier musste man sich jeden Tag in der Früh darüber informieren, ob sie geöffnet sind und nicht beschossen werden. Wiederum andere – straßenferne – Gebiete durfte man jederzeit auch ohne Genehmigung betreten. All dies bedeutete etwas mehr Stress bei der Tourenplanung. Die grandiose Bergkulisse am Pass und die riesigen Dimensionen der Gegend entschädigten uns dafür aber entsprechend.
Abgesehen vom fehlenden Schnee und den Problemen mit meiner Skiausrüstung hatten wir noch das eine oder andere kleine Problemchen mit unserem fahrenden Zuhause. Mit den Batterien stimmte etwas nicht und so passierte es manchmal, dass in der Nacht die Gasheizung für den Camper ausfiel und wir dann den Motor starten mussten, um die Batterien wieder etwas aufzuladen und das Zünden der Heizung zu garantieren. Ohne Heizung bei Außentemperaturen von -15°C konnte es ganz leicht passieren, dass das eine oder andere System im Auto einzufrieren drohte, aber das durfte auf keinen Fall passieren. Den Tankanzeigen für Schmutz-, Trinkwasser und Gas konnten wir leider auch nicht wirklich vertrauen, wir mussten daher mit unseren Reserven und Tankintervallen immer eher etwas konservativ planen.
Interessant war auch unsere Technik, die gesamte Skitourenausrüstung samt Fellen und
Innenschuhen von sechs Jungs über Nacht trocken zu bekommen. Wir funktionierten einfach unsere Toilette und Dusche zum Trockenschrank um. Wir hängten, stopften und schmissen unser nasses Zeugs dort rein und am nächsten Morgen war alles wieder trocken. Wie wir den Geruch managten, der dabei entstand, ist eine andere Geschichte.
Auch wenn unser Aufenthalt doch eher kurz war, konnten wir einen ersten Eindruck von der
unglaublichen Größe und Weite des Landes, sowie der Herzlichkeit und Lässigkeit der Menschen sowie dem Potential und der Qualität des Skifahrens vor Ort bekommen.
Obwohl wir eine recht bunte und neu zusammen gewürfelte Gruppe waren, verstanden wir uns auf Anhieb recht gut und konnten auch Meinungsverschiedenheiten schnell und meist mit einem Happy End ausdiskutieren.
Wieder einmal war dieser Trip nicht nur fantastisch schön, lustig und unvergesslich, sondern vor allem eines – lehrreich:
1. Gute Bedingungen und Wetterverhältnisse kann man nicht erzwingen und man muss einfach akzeptieren wie es gerade ist, wenn man dort ist. Gute Saisonen kommen und gehen und schlechte Saisonen passieren immer wieder.
2. Wenn man neue Ausrüstung mit auf Reisen nimmt, sollte man sie zumindest zwei Mal vorher getestet haben bzw. sicherstellen, dass sie auch wirklich so funktioniert wie man sich das vorstellt. Wenn man auf Nummer sicher gehen will, und es sich gewichtstechnisch ausgeht, sollte man auch ein zweites Paar oder sonstige Reserveteile mitnehmen.
Resümee von der ganzen Geschichte: Ich würde sofort wieder fahren, manche Dinge aber wahrscheinlich etwas anders angehen. Obwohl es das größte Camping Gefährt war, in dem ich je gesessen bin und es einiges an Luxus zu bieten hatte, war es nach drei Wochen zu Sechst einfach nur mehr eng! Definitiv war es aber eine interessante Erfahrung mit vielen lustigen aber auch anstrengenden Momenten.